Das Lehm-Schablonen-Formverfahren mit Formteilung wurde schon etwa im 12. Jahrhundert entwickelt, um Glocken mit höherer Tonqualität anfertigen zu können, als dies im vorher üblichen Wachsausschmelzverfahren möglich war. Die fortschreitende Technik hat vieles vereinfacht, manche Arbeitsschritte aber haben sich über die Jahrhunderte bis heute nicht verändert.
1. Rippe/Schablone
Das Herzstück des Verfahrens, das als Familiengeheimnis gut gehütet wird, ist die Herstellung des Glockenprofils, auch Rippe genannt. Sie entscheidet über den Klang der Glocke. Nach deren Errechnung wird das Profil, das aus der inneren und äußeren Konturlinie der späteren Glocke besteht, auf ein spezielles Brett aus Holz gezeichnet und zuerst an der inneren Linie ausgeschnitten. Im Zentrum der Glockenform wird die Schablone an einer Metallspindel drehbar befestigt, sie wird daher als Dreh-Schablone bezeichnet.
2. Der Kern
Dann beginnt die eigentliche Handarbeit. Aus Lehmsteinen und -schichten wird der Kern aufgemauert und immer wieder mit Lehm überzogen. Der überschüssige Lehm wird immer wieder durch Drehen der Schablone entfernt und die Schichten anschließend immer wieder feuergetrocknet. So entsteht eine Form, die dem späteren Inneren der Glocke entspricht, diesen (Form-)Teil nennt man Kern. Wenn dieser erkaltet ist, wird eine Schicht aus flüssigem Rindertalg aufgetragen, diese wiederum wird als Trennschicht für den nächsten Formteil dienen:
3. Die „Falsche Glocke“
Die Schablone wird nun an der äußeren Konturlinie der Rippe ausgeschnitten. Der Glockenformer füllt den freien Raum zwischen Kern und Schablone mit feinen Lehmschichten auf. Dieser Teil ist die Modellglocke, man nennt sie auch „Falsche Glocke“. Sie entspricht jetzt in der Größe genau der zu gießenden Glocke. Auch diese wird erkalten und mit einer Rindertalgschicht überzogen.
Auf diese Schicht können Inschriften und Verzierungen aus Wachs angebracht werden, jetzt entspricht die Form auch optisch der zu gießenden Glocke.
4. Der Mantel
Es wird Formlehm in weiteren Schichten aufgetragen, die Schablone wird hierfür nicht mehr benötigt. Die Glockenform darunter kann man jetzt nur noch erahnen. Da die Inschriften und Verzierungen beim jetzt wieder beginnenden Trocknungsvorgang ausschmelzen, hinterlassen sie vorher ihren spiegelbildlichen Abdruck vertieft im größten und letzten Formteil, dem Mantel. Nach Trocknung durch Gasbefeuerung wird der Mantel vorsichtig abgehoben und der Platzhalter, die "Falsche Glocke“, entfernt. Anschließend setzt man den Mantel wieder auf. In den durch entfernen der "Falschen Glocke" entstandenen Hohlraum wird später die Glockenbronze fließen. Die Glockenform erhält obenauf noch die Krone für die spätere Aufhängung und das Einguss- und Abluftsystem für den Gussvorgang. Die Glockenform wird nun zur Gieß- oder Dammgrube transportiert und in Dammerde fest eingedämmt („Fest gemauert in der Erden, steht die Form, aus Lehm gebrannt…“).
5. Guss der Glocke und Fertigstellung
Innerhalb weniger Minuten strömt das flüssige Metall langsam in den Hohlraum zwischen Lehm-Kern und Lehm-Mantel. Die Glockenbronze ist eine Metalllegierung (-mischung) und besteht zu 78-80% aus Kupfer und 20-22% aus Zinn. Die Temperatur beim Guss beträgt zwischen 1050 und 1200 Grad Celsius.
[Wir möchten hier einmal mit der Legende aufräumen, der Guss einer Glocke habe stets freitags um 15.00 Uhr stattzufinden, also zur 9. Stunde, der Todesstunde Christi, obwohl uns solch ein biblisch-plakativer Zusammenhang rührend erscheint. Es ist wunderbar, wenn es heute tatsächlich gelingt, bedingt durch moderne Öfen bzw. deren Steuerungen, das Gussgebet, oder den Beginn des Gusses auf diese, für das liturgische Musikinstrument Glocke passende Zeit zu legen. Technikgeschichtlich ist dies allerdings leicht widerlegbar. Es war unmöglich, einen extra für einen Guss bereiteten Ofen, ohne Probeläufe zeitgerecht zu steuern. Wer in früheren Zeiten einem Guss beiwohnen wollte und musste, hatte sich nach dem Ofen zu richten, selbst wenn das Metall erst mitten in der Nacht erschmolzen und gussbereit war. Einige wenige alte und seriöse Schriften haben dies so überliefert, z.B. von der berühmten "Gloriosa" für den hohen Dom zu Erfurt]
Nach einigen Tagen wird dann die erkaltete Form ausgegraben, Mantel und Kern abgeschlagen, die Rohguss-Glocke mit Wasser und Sand gebürstet, bis sie Zinn-silbrig glänzt. Änderungen am Glockenton und -klang sind meist nur im Rahmen von einigen Halbton-Sechszehnteln schleifbar. Glockensachverständige prüfen die Glocke abschließend noch am Gussort auf Klang, Optik und allgemeinen Zustand.