Grundsätzliches

Die Glocke ist ein Musikinstrument.

 

Beim Anschlag der Läuteglocke werden in dieser sowohl fünf Haupttöne (Principaltöne), als auch Neben- oder Streutöne erzeugt, letztere hauptsächlich im Mixturbereich. Alle diese zusammenklingend lassen einen für uns Menschen scheinbar hörbaren Schlagton (Nominal) ertönen, der allerdings eigentlich gar nicht existiert, zumindest nicht messbar ist. Mess- und berechenbar sind die fünf Principalen:

  • der Unterton: gibt der Glocke die Grundtönigkeit. Bei einer Moll-Oktav-Glocke ist es eine Unteroktave, bei historischen Glocken eher eine Unternone, Unterseptime, oder Untersexte.
  • die Prime: sie liegt bei modernen Glocken auf Schlagtonebene, bei historischen meist vertieft, im Extremfall bis zur Großterz vertieft.
  • die Terz: ob historische Glocke oder modern, die Terz ist grundsätzlich eine Mollterz und beim Anschlag und im Ausklingen deutlich hörbar. Außerdem ist sie, wie die Oktave und Duodezime, fast immer im Halbton-Sechzehntel-Bereich Schlagton-begleitend abweichend.
  • die Quinte: der einzige Principalton, der stets abhängig ist von anderen, hauptsächlich von der Prime und dem Unterton. Stark gesenkt darf die Quinte nicht werden, sonst wird sie zum „Teufelston“ Tritonus, oder noch tiefer, als Quarte hörbar. Umgekehrt darf sie gerne erhöht sein, nicht selten erklingt aus sehr guten Glocken eine Sexte statt der Quinte.
  • die (Ober)Oktave: sie liegt zwar eine Oktave oberhalb des sogenannten Schlagtones (Nominal), außerdem ist sie nie alleine hörbar, dennoch ist die Abweichung in 1/16 Halbton der (Ober)Oktave, fast immer exakt die Schlagton-begleitende Abweichung.
  • Die Mixturtöne sind: None, (Dur-)Dezime, Undezime, Duodezime, Tredezime, Quattuordezime, Doppeloktave, bei sehr großen Glocken auch die Trippeloktave.

Meist einzig wichtig im Mixturbereich ist die Duodezime, die in ihrer Abweichung sogar, ähnlich der (Ober)Oktave und Mollterz, Schlagton-begleitend sein kann.

Principaltöne bilden somit im Zusammenklang einen vermeintlich hörbaren Ton und den Hauptklang der Glocke, sind außerdem für den guten Glockengießer auch einzeln berechen- und veränderbar.

Mixturtöne geben der Glocke, wie auch anderen Musikinstrumenten das Timbre, die besondere Note. Der echte Kenner hört somit schon am Klang der Glocke den Gießer und/oder die etwaige Herstellperiode heraus. Gemessen werden die genannten Teiltöne noch immer mit verstellbaren Stimmgabeln, hierfür benötigt man aber etwas Erfahrung und ein möglichst gut geschultes Gehör. Moderner messen kann man mit digitalen Instrumenten, die die Analysedaten sofort im Computer abspeichern. Für sehr viele historische Glocken/Geläute ist allerdings das persönliche Ohr und eine gute, klassische Gehörschulung noch immer unabdingbar.

Da ein Halbton c/cis, cis/d, d/dis… bei der Läuteglocke in jeweils 16 Schritte unterteilt, also in Halbtonsechzehntel gemessen und gerechnet wird, übrigens liegt der Kammerton a‘ bei Läuteglocken bei 435Hz, müssen Feinmessinstrumente wie Stimmgabeln die Möglichkeit dieser Messung und Abstimmung bieten.

Nachdem aus dem Vereinigten Königreich bereits Ende des 19. Jahrhunderts ähnliche Messgabeln bekannt wurden, hat der Frankfurter Physiker und Akustiker Georg Appunn in unserer Glockengießerei, gemeinsam mit August Rincker verstellbare Stimmgabeln speziell zur Glockenanalyse weiterentwickelt und Glocken ab sofort sehr präzise analysieren können. Bis dahin häufige Fehler, wie Verwechslungen des Schlagtones mit der Prime oder gar der Terz, die für Zugüsse sehr oft zum klanglichen Fehlguss führten, sollten hiermit ab sofort ausgeschlossen sein.

 

 

Dispositionen

Da Glocken ja vermeintlich nur den einen, den für Menschen hörbaren Schlag-Ton (Nominal) haben, ist für ein neues Geläute, oder die Ergänzung zu bestehenden Glocken, die Vielfalt einer Disposition begrenzt.
Es muss bei einem Dreiergeläute nicht zwangsläufig von jedem Kirchturm ein Gloria (Sekund-Quart-Motiv), oder Te-Deum (Terz-Quart-Motiv) erschallen, aber viele andere Möglichkeiten sind für 3 Glocken praktisch nicht realisierbar.
Ab einem Vierergeläute gibt es schon sehr viel mehr Dispositionsmöglichkeiten, generell gilt: je mehr Glocken, desto breiter die musikalische Angebotspalette, desto vielfältiger die Ausführungen, auch für eine Läuteordnung. Aber Vorsicht vor zuviel Experimentierfreude: die Gemeinde soll ihre Glocken nicht er-tragen müssen, sie soll sich vom Klang ge-tragen fühlen. Sie will mehrere Generationen lang, möglichst Jahrhunderte mit ihren Glocken leben.
Manche Gemeinden ziehen die musikalische Vielfalt eines mehrstimmigen Geläutes vor, andere bevorzugen in der Anzahl weniger Glocken, dafür aber tiefe Töne und Klänge. Dies ist übrigens oft auch regionaltypisch und/oder epochal bedingt. Manchmal gibt es hierfür sogar ganz banale Gründe, z.B. die finanzielle Auslösung der zuständigen Glockensachverständigen.


Zwei Dinge sind bei Dispositionen grundsätzlich immer zu bedenken:
Die Größe des Glockenturmes einerseits, aber auch die finanziellen Möglichkeiten der Gemeinde.
Sollte der Raumbedarf nicht entscheidend sein, empfiehlt es sich ein mehrstimmigeres Geläute zu planen, auch wenn im Moment der finanzielle Spielraum zu solcher Umsetzung nicht gegeben scheint. Späteren Generationen aber für heute nicht erreichbare Ziele schon jetzt alles zu verbauen, ist nicht vorausschauend und kann die Nachfolgenden mit weitergehenden Wünschen dann sehr viel mehr kosten.
Hier denken und beraten gute Sachverständige weitsichtig und verantwortungsvoll.

Die gesamte Breite möglicher Geläute-Dispositionen hier aufzulisten ist nicht zielführend, ist eher verwirrend. Sprechen Sie mit uns, wir beraten gerne und gewiss objektiv.

Grundsätzlich sollte ein jedes Geläute so disponiert sein, dass der Klang (wieder)erkennbar ist, dass die die sich an den Klang „ihrer“ Glocken gewöhnt haben, diesen immer als Klang-Heimat empfinden und wiedererkennen. Das mag romantisiert pathetisch klingen, ist aber häufig bestätigt, übrigens, ganz wichtig: auch von vermeintlich Kirchen-Entfernten.
Denn: Glocken können mehr als nur zu Gottes-Dienst rufen. Glocken läuten über alle Grenzen hinweg, auch über die die wir uns im Herzen gebaut haben.